Zukunftsaussichten durch Digitalisierung

30-08-2022

Im Rahmen des Projekts B-WISE hat ein Team von arbeit plus – Soziale Unternehmen Österreich die Projekte Bicycle in Graz, Fix und Fertig in Wien und den Verein WAMS in Tirol besucht.

Im Rahmen des Projekts B-WISE hat ein Team von arbeit plus – Soziale Unternehmen Österreich die Projekte Bicycle in Graz, Fix und Fertig in Wien und den Verein WAMS in Tirol besucht. Vor Ort wurden Zukunftsaussichten und Entwicklungspfade erfragt. Ausgehend von den Interviews und persönlichen Gesprächen haben wir Beobachtungen über Unternehmenskultur, Stärken und Schwächen sowie Digitalisierungsbedarf im jeweiligen Arbeitskontext erhoben.

Unsere erste Station war der Verein Bicycle in Graz. Bicycle wurde im März 1989 gegründet und ist aus einem Jugendzentrum heraus entstanden. Für Gerd Kronheim und seine Kollegen war klar, dass es ein Projekt braucht, das Beschäftigung für Jugendliche schaffen kann, mit einem Produkt, das Spaß macht – und so ist das Projekt Bicycle entstanden: Radwerkstätten, Rad-Shop und Radverleih als Beschäftigungsprojekt für Jugendliche in Graz.

Die Standorte sind top ausgestattet, die Filialen mit einem Intranet System vernetzt und letztes Jahr wurde in eine Cloud-Telefonanlage investiert. Was die Shop Verwaltung angeht (Bankomatkassensystem, Rechnungs- und Bestellsystem, Bepreisungen, Codes mit Lagerverwaltung) werden Marktstandards und eine TOP-Verkaufssoftware verwendet.

„Hier müssen wir einfach am Markt bestehen. Die Schlüsselarbeitskräfte schulen die Transitarbeitskräfte ein – und die Jobaussichten sind nach der Zeit bei uns nachweislich gestiegen,“ so der Shopleiter zu seinem Zugang.

Es ist genau diese Mischung zwischen Business, Handwerk und Mensch, die die Sozialen Unternehmen so besonders macht. „Ich mag diese Mischung aus Technik - Fahrrad reparieren – und dem Sozialen – den Menschen eine Perspektive geben,“ sagt eine Schlüsselarbeitskraft über ihre Motivation.

Digitalisierungsschub durch Corona

Durch Corona wurden Projekte und Innovationen in den Unternehmen vorangetrieben,

die sozialen Unternehmen mussten ihre Arbeitsstrukturen anpassen. Das führte auch zu Herausforderungen der Digitalisierung, die wiederholt thematisiert wurden.

Es fehlen oft die nötigen Standards für Projekte, die für die Entwicklung und Integration von digitalen Tools nötig sind. Außerdem wurden Digitalisierungsprojekte als Add-on zur täglichen Arbeit erlebt, und nicht als Ersatz oder Erleichterung.

Der Verein WAMS ist Träger von Sozialökonomischen Betrieben in Tirol, die in den Bereichen Sammlung, Reparatur, Recycling und Verkauf von Second Hand Waren befristete Transitarbeitsplätze für langzeiterwerbslose Menschen anbieten. Auch dort sieht man sich vor neuen Herausforderungen: „Noch vor wenigen Jahren haben wir uns auf analoge Coaching- und Beratungsangebote konzentriert, jetzt müssen wir die grundlegenden Tools für unsere Zielgruppe bereitstellen: Wie man sich online bewirbt, wie man das e-AMS nutzt und eine E-Mail-Adresse im Arbeitsumfeld bedient, wie man im Internet recherchiert usw.“

Digitale Teilhabe

Digitalisierung und Digitale Skills sind für die Teilhabe an unserer modernen Gesellschaft unabdingbar. Daher sind Digitalisierungsprojekte für alle Sozialen Unternehmen wichtig. Aber auch die vulnerablen Personen müssen befähigt werden, digitale Tools zu nutzen, um in der digitalen Welt Partizipation und Inklusion zu leben.

„Die Digitalisierung zeigt eine gesellschaftliche Kluft. Viele Menschen in unserer Zielgruppe haben weder einen Computer noch ein Handy. Hier haben wir eine Verantwortung, zu sozialer Inklusion und Teilhabe beizutragen und Menschen zu befähigen, sich in einer zunehmend digitalisierten Welt zurecht zu finden,“ so Christine Regensburger, die Geschäftsführerin vom Verein Wams in Tirol.

Neben entsprechender Infrastruktur braucht es vor allem zielgruppenspezifische und niederschwellige Weiterbildungsformate im Bereich digitaler Basiskompetenzen. Die Sozialen Unternehmen bieten durch ihre praxisorientierte Verbindung von Arbeiten und Lernen dafür einen geeigneten Rahmen, bestehende Schulungsformate können und müssen dementsprechend ausgebaut werden.

Das Aufsetzen, Betreiben und Warten von e-Learning Plattformen (die Lern-Plattform Moodle ist dabei die verbreitetste) kostet viel Geld und Ressourcen und die Frage bleibt bestehen, wie man die Transitarbeitskräfte fürs digitale Lernen motivieren kann.

„In meinem alten Leben im Iran habe ich täglich am Computer gearbeitet. Das ist 10 Jahre her. Man ist so schnell weg vom Schuss, wenn man keinen Computer zu Hause hat,“ berichtet eine Transitarbeitskraft, die davon träumt, bald selbst Integrationskurse zu leiten.

Erfolgserlebnisse als Lösung

Viele der Transitarbeitskräfte haben diesen Vorteil, schon einmal digital fit gewesen zu sein, allerdings nicht. Es gibt einen großen Nachholbedarf, was Basisbildung und das technische Equipment angeht. Wer schlecht Deutsch spricht, keinen Computer und kein Internet zu Hause hat, wird schwer anschlussfähig bleiben - das betrifft viele Transitarbeitskräfte und ist echt ein Thema.

Aus diesen Gründen hat Fix und Fertig einen anderen Weg gewählt: Hier wird renoviert, gedruckt und kuvertiert. Das meiste in Handarbeit, die Maschinen funktionieren mechanisch, Computer sieht man nur in den Büros der Arbeitsanleiter*innen. „Ich habe schon viele verschiedene Berufe gehabt, aber mit Digitalisierung hatte ich wenig zu tun. Prinzipiell bin ich lieber auf der Baustelle als vorm Computer,“ meint eine Tagesarbeitskraft im Interview.

Fix und Fertig ist ein sozialökonomischer Betrieb mit dem Ziel, Menschen mit Suchterfahrung bei ihrem Wiedereinstieg in das Arbeitsleben zu begleiten, indem ihnen befristete Arbeitsplätze angeboten werden. Hier setzt man nicht so sehr auf die Digitalisierung, sondern eher auf den geregelten Arbeitsablauf, eine sinnvolle Tätigkeit – und die Erfolgserlebnisse, wenn ein Auftrag erfolgreich abgewickelt wurde.

„Ein gutes Arbeitsklima und ein guter Umgang miteinander sind bei uns im Betrieb selbstverständlich, aber nicht im Leben der Klientinnen,“ so Walter Wojcik, der den Betrieb seit 30 Jahren leitet. Aber nicht nur die Zufriedenheit der Arbeiter, sondern auch die der Kund*innen wird hochgeschrieben. „Was mir wichtig ist? – Wenn die Aufträge gut hinhauen, die Ware verpackt und abgeholt wird. Ein ehrliches Lob vom Kunden,“ so Christina Himoudi, Leiterin des Bereiches Textildruck.

Für die Klient*innen, die hier zu Beginn tageweise angestellt werden und dann neun Monate in einer Übergangsphase angestellt sind, ist die Arbeit ein erster Schritt in ein neues Leben.

„Arbeit ist für mich Beständigkeit und Verlässlichkeit, aber auch soziale Kontakte.“


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Das Projekt B-WISE, Blueprint for Sectoral Cooperation on Skills in Work Integration Social Enterprises, ist ein Erasmus+ Projekt, das von der EASPD mit Unterstützung von ENSIE koordiniert wird.